PNP vom Dienstag, 22. Oktober 1968

Der große Brand in Kößlarn im Jahre 1868

Aus „Passauer Neue Presse“ Nr.244/1968 vom 22. Oktober 1968 (Ausgabe Ge) von Msgr. Huber

Vor 100 Jahren, am 13. Oktober 1868, brach um 7 Uhr abends im Markt Kößlarn beim Glaser mitten in der östlichen Marktplatzseite (jetzt Marktplatz 26) ein Brand aus, der in wenigen Stunden die ganze Häuserzeile hinab zum heutigen Erbertseder (jetzt Marktplatz 8) bis hinaus zum Koller-Bader-Haus (jetzt Marktplatz 38) mitsamt den rückwärtigen Stall- und Stadlgebäuden, insgesamt 15 Wohnhäuser und 18 Nebengebäude, also 33 Firste, in Schutt und Asche verwandelte.

Der Brand war ausgerechnet an der gefährlichsten Stelle, wo die Marktstraße ein Eck bildete und die rückwärtigen Gebäude dadurch erst recht eng zusammengerückt waren, entstanden. Im alten Markt Kößlarn waren die meisten Häuser aus Holz gebaut, hatten weit vorspringende Dächer und waren mit Holzschindeln gedeckt. Bei einem Brand war da nichts mehr zu retten, zudem Kößlarn damals auch noch keine Feuerwehr hatte. Ein Glück war nur, dass der Marktplatz und die Marktstraße auffallend weiträumig angelegt waren, so dass die andere Marktplatzseite vom Brand verschont blieb.

Am 13. Oktober 1868 war im damaligen Kirschner-Bräuhaus (später Brauerei Gschneidner, jetzt Gasthof Hager, die Hochzeitsfeier des Brautpaares Franz Weidinger von Westerbach und Maria Eckinger, Zimmererstochter von Aigen.
Mitten in den Tanz platzte der Schreckensruf: „Es brennt!“. In der allgemeinen Aufregung dachte vorerst niemand ans Löschen, sondern alle stürmten in die Häuser und suchten Vieh und Hausrat zu retten, warfen alles auf die Straße, wo vieles zerbrochen und noch mehr gestohlen wurde. Bald sah man nach allen Seiten mit Packen beladen in die Dunkelheit flüchten. – der erste, der ans Löschen dachte, war der Benefiziat Hundsberger, seit 1863 Zehnuhrmessleser in Kößlarn. Er sammelte Erwachsene und Kinder, schickte sie um Eimer und Geschirr, stellte zwei Reihen Handlanger bis zum Kößlbach auf und ließ die alte Spritze vorn hinbringen. Das Feuer hatte aber schon so weit um sich gegriffen, dass man mit der armseligen Spritze nichts mehr ausrichten konnte. Es fiel auch niemanden ein, sofort Boten in die Nachbarorte um Hilfe zu schicken. Die mächtige Brandröte zeigte aber weithin die ungefähre Lange des Brandherdes an. Nur Schmiedemeister Will jagte mit seinem Roß nach Rotthalmünster wo die Spritze schon zur Abfahrt bereit stand.

Als erste Spritze kam Bayerbach, bald darauf auch Birnbach, dann Rotthalmünster. Als die Rotthalmünsterer in den Markt einfuhren, brannte bereits das ganze Spermann-Haus. Nach und nach kamen 13 Spritzen zusammen. Die gefährlichste Stelle im Untermarkt war beim jetzigen Erbertseder-Haus, wo in der Häuserreihe ein Durchfahrtsgässchen war. Wenn hier das Feuer nicht gehalten werden konnte, waren auch die weiteren Häuser (jetzt altes Kaufhaus Braun – Gerber Vötter-Haus ( usw.) verloren. Die zwölf Männer aus Birnbach unter dem Kommando von Johann Matzberger (später Schlosser und Spengler in Kößlarn) hielten mit beispielhafter Zähigkeit, Geschicklichkeit und Aufopferung die Stelle und retteten den Untermarkt. – Die Asenhamer hatten oben beim damaligen Koller Bader-Haus Stellung bezogen, wo sie das alte wuchtige Holzhaus noch niederlegen wollten, um die Gasse gegen das Feuer zu verbreitern. Da das Feuer aber schneller war als ihr Wollen, mussten sie den Plan aufgeben.

Um die Spritzen aus dem Marktbrunnen und aus dem Kößlbach ständig mit Wasser zu versorgen, waren sehr viele Handlanger notwendig, die nur mit äußerster Kraft zusammengehalten werden konnten. Noch um Mitternacht war die Lange im Markt so gefährlich, dass man schon auch die Häuser im Obermarkt und an der Waldstraße nach Ebertsfelden räumen ließ. Das gewaltige Feuer erzeugte einen starken Wind, der die brennenden Legschindeln überall im Markt herumfliegen ließ. Die Rettung brachte um 1 Uhr nachts ein Westwind, der das Feuer, die Funken und Rauchschwaden gegen die Hänge und Wiesen zum Voglberg hintrieb. In der Frühe zeigte sich die furchtbare Verwüstung: 15 Wohngebäude 18 Stallungen und Stadl, zusammen 33 Firste, waren ein Schutt-rund Aschenhaufen.

Pfarrer Josef Nömeier hat später in der Pfarrchronik die Namen der Brandleider (nach einem ausführlichen handschriftlichen Bericht von Maurermeister und Bürgermeister Stöfl) aufgeschrieben. Die rechte Marktseite (von unten her gezählt) ist vollständig abgebrannt: 1. Anwesen Josef Vogginger, Mühlarzt (jetzt Erbertseder, Marktplatz 8, 2. Anwesen Lorenz Machl, Bindermeister (jetzt Spermann, Marktplatz 10), 3. Anwesen Chrysant Bauer, Wagnermeister, (jetzt Zeilinger, Marktplatz 12), 4. Anwesen Schmidbauer, Zimmerer (später Förster Kühlwein, jetzt Wagner, Marktplatz 14), 5. Anwesen Albert Mändl, Kunstmaler (jetzt Mühlberger, Marktplatz 16), 6. Anwesen Ruf, Gastwirt, Lebzelter (jetzt Gastwirtschaft Spermann, Marktplatz 18), 7. Martin Resch, Metzger (jetzt Urlhardt, Marktplatz 20), 8. Anwesen Franz Höhne, Uhrmacher, Marktplatz 22), 9. zwei Fleischbänke, obenauf Wohnung Maurer Michael Wiesner, die nicht mehr aufgebaut wurden, Marktplatz 24, 10. Anwesen Anton Wilhelm, Glaser und Bäcker (jetzt Lindinger, Marktplatz 26), 11. Anwesen Franz Schweller, Seifensieder (jetzt Hirler/Wieser, Marktplatz 28), 12. Anwesen Michael Feilhuber, Bäckermeister (jetzt Winkler-Harth), Marktplatz 30), 13. Michael Grabmeier, Kaufmann (jetzt Würzinger, Marktplatz 32), 14. Anwesen Franz Xafer Zauner, Tuchmacher (jetzt Schleheider, Marktplatz 34), 15. Anwesen Alois Bräu, Kirschner (Erdgeschoß, jetzt zwei Hausnummern 36/38. Josef Speckner, Schneider im 1. Stock).

Der schwerste künstlerische Verlust war sicher, dass auch das Haus des Seifensieders Schweller (jetzt Hirler-Wieser) als Nachbarhaus des Glasers Wilhelm Raub der Flammen wurde. Dieses Haus war ja im 18. Jahrhundert Eigentum des berühmten Stukkateurs Johann Baptist Modler gewesen, der mit seinem kunstfertigen Söhnen Kaspar, Melchior und Balthasar und Josef Narzissus die prachtvollen Stuckaturen in der Neuen Passauer Residenz, in Fürstenzell und in vielen Klosterkirchen in Altbayern und Österreich geschaffen hatte. Seine Kunst kann man heute noch im Markt Obernberg an den Fassaden der Apotheke und am Woerndle-Haus bewundern. Genauso soll auch die Fassade des Modlerhauses in Kößlarn mit herrlichen Darstellungen des Paradieses usw. verziert gewesen sein. In der rückwärtigen Werkstätte sind auch die noch vorhandenen Modl mitverbrannt. Das kunstreiche Stuckmodellieren war um 1868 in der Familie Modler schon ausgestorben, schon auch deshalb, weil nach der Säkularisation der Klöster 1803 solche Künstler keine Aufträge mehr erhielten; im Gegenteil, gar manches Kunstwerk der Barock-rund Rokokozeit wurde zerstört.

Um dem furchtbaren Unglück mit allen Kräften möglichst schnell abzuhelfen, wurde schon am 14. Oktober 1868 ein Komitee unter Führung von Pfarrer Aicher gebildet, das sehr rührig und erfolgreich arbeitete und erstaunlich schnell die Brandleider bei anderen Familien unterbrachte. Auch das Bezirksamt Griesbach wurde sofort um Hilfe angerufen.

Bezirksamtmann Mößmang erließ einen Aufruf an die 38 Gemeinden des Bezirkes und an die Marktgemeinden Aidenbach und Ortenburg zu einer Sammlung von Geld, Lebensmitteln und Kleidern. Die Geldsammlung viel recht spärlich aus: In Kößlarn selber kamen 87 fl. 25 Kreuzer ein, ein Bierbrauer Kirschner gab 7 fl., Privatier Michl Gschneidner 7 fl., einer gab nur 6 Kreuzer, mehrere 12, andere 18, 24, 30 Kreuzer. Die Kößlarner Familien mussten freilich für Unterbringung und Verpflegung der Geschädigten ohnehin große Lasten tragen. Kirschner gab außerdem jedem Abgebrannten mit Ökonomie einen Eimer Scheps, denen ohne Ökonomie einen halben Eimer. Der Fischer-Bäcker gab von seinem Berg je nach Bedarf jedem Bausand, Metzger Vötter gab jedem Brandleider Fleisch, Nagelschmied Weller die Nägel, Eder Schmied einen Geldbetrag, dazu Nachlaß bei den von ihm gefertigten Sachen. Die gemeinde Wenig sammelte 31 fl. 36 Kreuzer, Reutern 109 fl., Safferstetten 37 fl. Für Hausgesessene, 4 fl. für Ledige, 6 ½ Scheffel Korn, ½ Sch. Gerste. – Wolfakirchen 16 fl. 30 Kreuzer mit dem Bemerken, dass eine Sendung Getreide nachkommt. – Birnbach Gemeinde 85 fl., Brandversicherungsverein 15 fl., - Rotthalmünster musikalische Veranstaltung 18 fl., Tettenweis 22 fl. 54 Kreuzer, Indling 3 fl. 6 Kreuzer, 21 halbe Säcke Korn.

Oberschwärzenbach 107 fl. 50 Kreuzer. Ortenburg 46 fl., Kindlbach 20 fl., Dorf Lengsham 40 fl. – Griesbach 100 fl., dazu noch Kleider. Asbach hatte das beste Ergebnis: 187 fl. 6 Kreuzer. – Würding 40 fl. 3 Kreuzer, 4 ½ Scheffel Korn, Weizen und Leinwand. St. Salvator 50 fl., Haarbach Geld und Getreide ebenso Hartkirchen / zusammen 1552 fl. 36 Kreuzer.

Wahrhaft großartig war aber die private Hilfe. Da Gott sei dank, das Jahr 1868 ein reiches Kornjahr war, kamen von allen Seiten Wagen mit Getreide, Lebensmitteln und Kleidung, so dass man schon in den ersten Wochen wusste, dass man die Not leidenden bis zur nächsten Ernte durchbringen kann.

Im Winter wurden die Baumaterialien angefahren, die Ziegelsteine aus den Ziegelstädeln, die damals mehrere Bauern im Eigenbetrieb hatten. Mit der Verteilung der Baumaterialien beauftragte das Komitee Michael Gschneidner, der alles nach Gerechtigkeit zur vollen allgemeinen Zufriedenheit verteilte.

Die aufgehäuften Ziegelsteine wurden freilich zuerst zweckentfremdet verwendet. Am Stephanitag war eine große Rauferei zwischen Markt – und Bauerburschen, die sich zu einer regelrechten Straßenschlacht ausweitete. Als Wurfgeschosse dienten die Ziegelsteine, mit denen die Marktler die Bauerburschen aus dem markt hinausgetrieben.

Im Jahre 1869 wurden die abgebrannten Anwesen aufgebaut. Plan und Ausführung lag in den Händen des Kößlarner Maurermeisters Stöfl. Man kann bedauern, dass die Häuser nicht mehr im alten Marktstil mit den weit vorspringenden Dachgiebeln aufgebaut wurden. Jedenfalls wurden die Häuser aber feuersicherer aufgebaut.

Über die Entstehung des Brandes verlautete, dass die Glaser Magd glühende Asche auf den Misthaufen geschüttet haben soll, wodurch die angrenzenden hölzernen Stallgebäude Feuer gefangen haben.

Jetzt endlich sah man in Kößlarn die Notwendigkeit einer Feuerwehr ein. Schon am 6. November 1968 wurde die Feuerwehr gegründet und als Vorstand der Maurermeister und Bürgermeister Stöfl gewählt. So konnte heuer die Feuerwehr Kößlarn ihr hundertjähriges Jubiläum feiern. – Im Jahre 1873 erhielt Kößlarn aus der Fabrik Blümlein in Würzburg eine neue Saug – und Druckspritze. – Gott sei Dank, hat seit 1868 keine so große Brandkatastrophe den Markt Kößlarn mehr heimgesucht.

Msgr. Huber


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